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Ukrainerinnen auf der Flucht

Sind die Frauen, die durch den Ukrainekrieg geflohen sind, bereits vergessen? Der Think Tank FEMALE SHIFT sagt ganz klar nein und gibt einer ukrainischen Geflüchteten und ihrer Gastgeberin das Wort.

1ST ROW & WOMEN SPEAKER
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July 12, 2022

Aus dem Krieg ins Ungewisse

Über 4 Monate dauert der Krieg in der Ukraine bereits an. Seit über 4 Monaten haben tausende Menschen in der Ukraine ihr Leben verloren oder leben in Angst. Vor allem viele Frauen und Kinder sind aus dem Kriegsgebiet auch in den deutschsprachigen Raum geflohen. Doch obwohl das Thema zunächst große mediale Aufmerksamkeit erhalten hat, ist es angesichts der weiteren Auswirkungen des Krieges, wie Gas- oder Lebensmittelengpässe und Inflation, sehr in den Hintergrund geraten.  

Unsere Kooperationspartner des Think Tank FEMALE SHIFT setzen sich jedoch dafür ein, dass die Frauen und ihre Geschichten nicht vergessen sind. So fand am 06.07. ein Webinar mit dem Thema „Hilfe für Flüchtlinge aus der Ukraine“ statt – bei dem auch wir unterstützen und teilnehmen durften.  

Dr. Esther Girsberger interviewte die geflüchtete Unternehmerin Kseniia Chamlai und ihre Gastgeberin Catherine Pauli, bei deren Familie Kseniia zusammen mit ihren beiden Töchtern Zuflucht gefunden hat, sowie Katrin Jaggi, u.a. Gründerin von “Welcome to School”, zu den Hinderungen und Möglichkeiten des Bildungssystems der Schweiz für die Geflüchteten.

Heimweh und Angst

Im Interview berichtet Kseniia Chamlai von Heimweh. Sie würde so gern in ihre Heimat zurückkehren. Nach vier Monaten in der Schweiz sei dieser Gedanke alltäglich vorhanden und das Heimweh wachse. Die Sehnsucht nach Hause und nach Mann und Mutter, die dort geblieben sind, werde auch von der Sorge um sie vergrößert. Kseniia überkommen die Tränen, als sie berichtet, wie immer noch ständig Angriffe gestartet würden, Bomben fielen, täglich Menschen sterben. Doch sie wolle ihre Töchter dieser Gefahr nicht aussetzen. Also bliebe sie noch in der sicheren Schweiz.

Zu Gast bei Fremden

Der Kontakt zu Catherine Pauli habe sich über Facebook ergeben, erzählen Geflüchtete und Gastgeberin. Und auch wenn alles sehr schnell ging, habe sich Familie Pauli vorher informiert, beraten und gemeinsam beschlossen, das leerstehende Gästezimmer für Geflüchtete zur Verfügung zu stellen.

Doch sei es eine enorme Herausforderung, plötzlich mit fremden Menschen aus einer fremden Kultur unter einem Dach zu leben und gemeinsam einen Alltag zu finden. Für die Gastgebenden änderten sich Routinen, würden Rücksichtnahme und Aufgeschlossenheit fast schon zum Mantra. Die Gäste seien dankbar und froh, sicher zu sein. Aber es fehle das Gefühl, selbstbestimmt zu sein und zu allen anderen Sorgen käme die, den Gastgebenden irgendwann zur Last zu fallen, weil man zu laut sei, zu viel verlange oder zu wenig gebe.  

Integration, wenn man nicht bleiben will?

Die Sprachbarriere sei mit einer der höchsten Schwierigkeiten. Die Kinder lernten im ukrainischen Schulsystem verschiedene Sprachen, auch Deutsch. Aber Schweizerdeutsch sei noch eine ganz andere Herausforderung.

Das Schulsystem sei ein anderes. Viele der Kinder gingen in der Ukraine bereits auf die Universität, die dort früher beginne, und fühlten sich in der schweizerischen Einstufung unterfordert bzw. zurückgesetzt. Zudem würden sie oft gemeinsam in ausschließlich ukrainische Klassen untergebracht, was sie zusätzlich isoliert.

Und im Gegensatz zu freiwilligen Immigranten, wollten die Menschen so bald wie möglich zurück in die Ukraine. Warum also integrieren? Schließlich hätten sie auch so genug zu tun, um ihre Traumata zu heilen und Hürden zu überwinden, wie z.B. Behördengänge, Arbeit und eine eigene Wohnung zu finden und die in der Heimat Kämpfenden und Wartenden zu unterstützen.

Wenn Helfen zur Belastung wird

Als im März die ersten Geflüchteten aus der Ukraine bei uns angekommen sind, war die Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung riesig. Viele Menschen haben ukrainische Geflüchtete in ihrem Zuhause aufgenommen. Manche konnten nur ein Gästezimmer bereitstellen, andere eine ganze Wohnung. In jedem Fall waren die Geflüchteten froh und dankbar, ein eigenes Zimmer zu haben und nicht in einer Sammelunterkunft mit hunderten anderen Menschen zu leben.  

Auch aus eigener Erfahrung einer unserer Mitarbeiterinnen können wir berichten, dass GastgeberInnen jedoch weit mehr gefordert sind als mit der reinen Unterbringung von Geflüchteten. Neben der seelischen Unterstützung sind GastgeberInnen weitestgehend auf sich allein gestellt, wenn es um die dauerhafte Unterbringung der Gäste geht.  

Die Betroffenen sind selbst gefordert, aktiv zu werden, um Wohnraum zu finden. Wer dann nach meist langer Suche das Glück hatte, in Ballungsräumen mit ohnehin großem Mangel an bezahlbaren Wohnungen, die Zusage für eine Wohnung zu erhalten, ist vor neue Herausforderungen gestellt.  

Zahlreiche Behördengänge und Anträge folgen, bis die ukrainischen Geflüchteten ihr neues Zuhause beziehen können. Im Falle unserer Mitarbeiterin und ihren Gästen war viel Glück im Spiel und so konnten die Ukrainerinnen bereits nach 6 Wochen ihre eigene Wohnung beziehen.

Welche Veränderungen die eigene Wohnung bei den Gästen unserer Mitarbeiterin bewirkt hat, ist enorm. Die Teenagerin zum Beispiel, die zuvor nicht einmal die deutsche Schule besuchen wollte, hat mittlerweile zahlreiche FreundInnen gefunden, geht ihrem Leistungssport wieder nach und hat wieder etwas mehr Freude am Leben.  

So viel Glück haben allerdings nicht viele Geflüchtete und so bleibt vielen nur abzuwarten.

Was können wir tun?

Kseniia Chamlai wünscht sich wieder in ihre Heimat zurückkehren zu können. In der Zwischenzeit hoffe sie in erster Linie auf Verständnis. Von GastgeberInnen, LehrerInnen und der Gesellschaft. Viele UkrainerInnen haben schreckliches erlebt und/oder lebten in steter Sorge um ihre Angehörigen. Anpassung habe für viele dieser Menschen nicht die erste Priorität.

Als Außenstehende können wir helfen, indem wir Verständnis aufbringen und das Leid der Menschen in der Ukraine nicht zum Alltag werden lassen.

Das ergreifende Interview können Sie hier in voller Länge ansehen.

Hinsehen und hinhören

Interview mit Tatjana Kiel

We are all Ukranians

Tatjana Kiel, CEO von Klitschko Ventures, hat seit Kriegsbeginn die Hilfsorganisation #weareallukranians ins Leben gerufen und organisiert mit ihrem Team unter anderem Hilfstransporte mit dringend benötigten Dingen für die Ukraine. Mit ihr haben wir vor einigen Wochen bereits ein Interview geführt, in dem es insbesondere um die Rolle der Frauen im Ukraine Krieg geht.

Die Podcast-Folge können Sie hier anhören.

Frauen auf der Flucht

Jede Geschichte zählt und hinter jeder Flucht steht eine individuelle Person mit ihren Erlebnissen. Für das Projekt #frauenaufderflucht erzählen betroffene Frauen ihre Geschichten von Krieg und wie sie diesem entkommen sind.

Bilder und Stories können Sie hier lesen.

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