In unserem Interview mit Daniela Ullmann, Expertin für ganzheitliche Gesundheit, sprechen wir über die wichtigsten Ansätze, die Unternehmen implementieren können, um das Wohlbefinden ihrer Mitarbeitenden langfristig zu sichern. Sie unterstützt Unternehmen dabei, die Gesundheit ihrer Mitarbeitenden ganzheitlich zu fördern um digitalen Stress und Belastung zu reduzieren, Leistungsfähigkeit und Engagement zu steigern und Krankheiten, wie Burnout und Depression aktiv vorzubeugen.
Interview mit Daniela Ullmann: Gesundheit in Unternehmen ganzheitlich fördern
Daniela, du sprichst oft von „ganzheitlicher Gesundheit“ in Unternehmen. Was genau bedeutet dieser Begriff und warum ist dieser Ansatz so wichtig?
Ganzheitliche Gesundheit betrachtet den Menschen als Gesamtsystem, in dem körperliche, geistige und emotionale Aspekte eng miteinander verknüpft sind. In vielen Unternehmen wird Gesundheit oft rein auf physische Maßnahmen wie Bewegung und Ernährung reduziert. Doch ganzheitliche Ansätze gehen einen Schritt weiter. Sie erfassen nicht nur den Körper, sondern auch die mentale und emotionale Gesundheit, denn alles ist miteinander verbunden.
Bewegung und Ernährung sind zentrale Säulen, doch genauso wichtig sind Schlaf, Routinen und ein umfassendes Stressmanagement. In einem ganzheitlichen Gesundheitskonzept achten wir darauf, die Ursachen von Stress und Unausgeglichenheit zu erkennen, bevor wir mit Lösungen reagieren. Statt nur Symptome zu bekämpfen, wie z. B. das Stressgefühl oder Erschöpfung, identifizieren wir die zugrunde liegenden Ursachen und arbeiten an Strategien, die langfristige Lösungen bieten.
Wie sieht das konkret aus? Zum Beispiel kann es für jemanden hilfreich sein, eine regelmäßige Meditationspraxis einzuführen, um das Stressniveau zu senken und den Fokus zu verbessern. Andere brauchen eventuell mehr Bewegung, Unterstützung bei der Ernährung oder ein Hobby, das ihnen hilft, einen Ausgleich zum Berufsalltag zu schaffen. Dabei kann die Frage helfen: Was macht mich glücklich und erfüllt mich? Jeder Mensch ist einzigartig, und das ganzheitliche Gesundheitskonzept passt sich diesen individuellen Bedürfnissen an. Ein weiterer zentraler Aspekt ist die emotionale Gesundheit. Durch Techniken wie Achtsamkeit, Selbstreflexion und gezielte Entspannungsübungen schaffen wir Raum für emotionales Wohlbefinden und Resilienz – beides elementar für die Produktivität und Zufriedenheit am Arbeitsplatz.
Der Unterschied? Herkömmliche Gesundheitsprogramme legen oft den Fokus auf kurzfristige Maßnahmen, die sich auf den Körper beschränken. Ganzheitliche Gesundheit hingegen ist langfristig ausgelegt, zielt auf die Harmonie von Körper, Geist und Seele und stärkt so das individuelle Wohlbefinden nachhaltig. Nur wenn diese drei Dimensionen im Einklang sind, kann sich das volle Potenzial eines Mitarbeitenden entfalten – und das ist es, was ganzheitliche Gesundheit wirklich ausmacht.
Die Arbeitswelt wird zunehmend komplexer und stressiger. Was sind aus deiner Sicht die größten Gesundheitsrisiken für Mitarbeitende und wie können Unternehmen präventiv entgegenwirken?
Die zunehmende digitale Belastung ist eines der größten Gesundheitsrisiken für Mitarbeitende. Permanente Erreichbarkeit und ständige Arbeitsunterbrechungen sind zur Normalität geworden. Laut einer Studie von Gloria Mark von der University of California, Irvine, werden Mitarbeitende durchschnittlich alle 3 Minuten und 5 Sekunden unterbrochen, und es dauert etwa 23 Minuten und 15 Sekunden, um zur ursprünglichen Aufgabe zurückzufinden. E-Mail-Überflutung, Meeting-Marathons und Push-Notifications führen dazu, dass es uns immer schwerer fällt, den Fokus über längere Zeit auf eine Aufgabe zu richten. Wenn wir im Flow sind und unterbrochen werden, können Ablenkungen zu einem Verlust von rund 60 Stunden Arbeitszeit pro Monat führen.
Unternehmen können präventiv entgegenwirken, indem sie klare digitale Grenzen setzen. Zum Beispiel Pausen ohne digitale Geräte fördern oder einen meetingfreien Tag pro Woche einführen. Seit der Pandemie hat sich die Anzahl der Meetings mindestens verdoppelt und viele Mitarbeitende werden zu Besprechungen eingeladen, ohne einen wirklichen Beitrag zu leisten. Eine Veränderung der CC-Kultur, weniger E-Mails und das Empowern von Führungskräften und Mitarbeitenden, klare Prioritäten zu setzen, kann hier enorm helfen. Es geht darum, die digitale Arbeitsumgebung bewusster zu gestalten, um Stress zu reduzieren und die Produktivität zu steigern.
Du hast viele Unternehmen auf ihrem Weg begleitet, die Gesundheit der Mitarbeitenden zu stärken. Was sind typische Herausforderungen, mit denen Firmen konfrontiert sind, wenn sie ein Gesundheitskonzept implementieren wollen?
Die Implementierung eines Gesundheitskonzepts in Unternehmen kann mehrere Herausforderungen mit sich bringen. Ein wesentliches Hindernis sind unzureichende Ressourcen und die oft fehlenden Prioritäten für das Thema im Unternehmen. Wenn das Gesundheitskonzept nicht in die bestehende Unternehmenskultur integriert wird, kann dies zu mangelnder Unterstützung führen. Auch die Einbindung der Unternehmensführung spielt eine zentrale Rolle; Führungskräfte müssen eine Vorbildfunktion übernehmen und Gesundheitsinitiativen aktiv unterstützen. Sie haben eine gesetzliche Fürsorgepflicht. Wir müssen aufhören NUR über mentale Gesundheit zu reden und sie stattdessen auch leben.
Ein gutes Beispiel ist Microsoft Deutschland, das proaktive Maßnahmen zur Förderung der mentalen Gesundheit seiner Mitarbeitenden implementiert hat, indem es unter anderem flexible Arbeitszeiten und Unterstützungsangebote zur Stressbewältigung anbietet. Quelle
Ein weiteres typisches Hindernis ist die Messbarkeit des Erfolgs. Unternehmen stehen oft vor der Herausforderung, geeignete KPIs (Key Performance Indicators) zu definieren, um den Fortschritt und die Wirksamkeit ihrer Gesundheitsinitiativen zu bewerten. Eine kontinuierliche Evaluation und Anpassung der Maßnahmen sind notwendig, um langfristige Erfolge zu sichern.
Ein besonders positives Beispiel ist die Implementierung von Achtsamkeitsprogrammen bei SAP, die einen bemerkenswerten ROI (Return on Investment) von 200 % erzielten. Dies zeigt eindrucksvoll, wie Verbesserungen in der Mitarbeitermotivation und reduzierten Fehlzeiten zu erheblichen finanziellen Gewinnen für das Unternehmen führen können. Quelle
Wir müssen aufhören über mentale Gesundheit zu reden und sie stattdessen auch leben.
Ein großes Thema in der heutigen Zeit ist Burnout. Welche Zeichen deuten darauf hin, dass ein Mitarbeiter gefährdet ist? Und wie können Führungskräfte und Teams präventiv agieren, um Burnout vorzubeugen?
Burnout ist ein zentrales Thema in der heutigen Arbeitswelt und bezeichnet einen Zustand schwerer emotionaler, physischer und mentaler Erschöpfung, der häufig durch anhaltenden Stress ausgelöst wird. Typische Anzeichen für Burnout sind chronische Erschöpfung, eine zynische Einstellung zur Arbeit und ein merklicher Leistungsabfall über einen längeren Zeitraum. Obwohl Burnout nicht der Fokus in meiner Arbeit ist, da ich mich hauptsächlich mit Prävention beschäftige, sind die Auswirkungen auf die Mitarbeitenden und die Unternehmenskultur erheblich.
In meinem Freundes- und Kollegenkreis habe ich bereits einige Fälle von Burnout erlebt, zwei davon möchte ich kurz schildern. In einem Fall waren der Vorgesetzte sowie der Arbeitgeber sehr unterstützend, was der betroffenen Person half, sich zu erholen und die notwendige Unterstützung zu erhalten. Im anderen Fall hingegen wurde zusätzlicher Druck auf die Mitarbeiterin ausgeübt, weil sie längere Zeit krank war, und es fehlte an Verständnis und Empathie. Solches Verhalten ist absolut inakzeptabel und zeigt, wie wichtig es ist, dass Führungskräfte das Wohlbefinden ihrer Mitarbeitenden aktiv im Auge behalten.
Um Burnout vorzubeugen, ist es entscheidend, das Thema mentale Gesundheit offen zu diskutieren und Stigmatisierungen abzubauen. Mein Wunsch ist, dass wir zukünftig nicht nur über Bewegung und Ernährung sprechen, sondern auch über das mentale Wohlbefinden. Im 1:1-Gespräch können Führungskräfte die Mitarbeiter fragen: „Was passiert gerade in deinem Leben? Wie fühlst du dich?“ Diese einfache Geste zeigt, dass sie bereit sind zuzuhören und Empathie zu zeigen. Dadurch fühlt sich der Mitarbeitende gehört, gesehen und unterstützt.
Welche praktischen Schritte können Unternehmen sofort umsetzen, um die mentale und körperliche Gesundheit ihrer Mitarbeitenden zu fördern?
Unternehmen sollten umgehend betriebliche Gesundheitsprogramme implementieren. Diese können Stressmanagement-Workshops oder Trainings zur Förderung der mentalen Gesundheit umfassen, die den Mitarbeitenden helfen, besser mit Herausforderungen umzugehen.
Regelmäßige Pausen weg vom Bildschirm sind ebenfalls entscheidend. Häufige Mikro-Pausen steigern die Kreativität und ermöglichen es Mitarbeitenden, sich zu erholen und neue Energie zu tanken, was ihre Konzentration und Produktivität steigert.
Zudem ist der Zugang zu Ressourcen enorm wichtig bzw. auch die ständige Kommunikation dieser Benefits an die Mitarbeiter. Ein weiterer großer Vorteil ist der Zugang zu Psychologen, Health Coaching oder Mental Health Apps bieten, um psychische Herausforderungen aktiv vorzubeugen oder anzugehen.
Auch ist die Schaffung eines positiven Arbeitsumfelds von großer Bedeutung. Eine Kultur des offenen Dialogs und der Wertschätzung fördert ein Umfeld, in dem Mitarbeitende sich sicher fühlen, ihre Bedürfnisse und Herausforderungen zu äußern. Dies erhöht das Wohlbefinden und die Zufriedenheit im Team.
Viele Unternehmen sind sich zwar der Wichtigkeit der Mitarbeitergesundheit bewusst, scheuen aber oft die Kosten für umfassende Programme. Gibt es kosteneffiziente Maßnahmen, die trotzdem eine große Wirkung erzielen?
Ja, es gibt zahlreiche kosteneffiziente Maßnahmen, die eine erhebliche Wirkung entfalten können:
- Achtsamkeitsübungen: Die Einführung von kurzen Atemübungen oder Meditationseinheiten während der Arbeitszeit erfordert nur geringe Ressourcen, kann jedoch die Konzentration und das Wohlbefinden der Mitarbeitenden deutlich steigern. Z.B. Eine Minute Stille zu Beginn eines Meetings.
- Community-Gruppen: Die Bildung von Community-Gruppen, die auf gemeinsame Interessen wie Familie, Female Empowerment, Diversity & Inclusion, Achtsamkeit oder andere Themen fokussiert sind, verbindet Menschen miteinander und fördert eine starke Gemeinschaft. Ein Beispiel dafür ist die Mindfulness-Community von Allianz, die tägliche Meditationen anbietet, die mittlerweile sehr gut besucht sind.
- Challenges zur Gesundheitsförderung: Die Teilnahme an Gesundheits-Challenges oder Einführung in das Thema mentale Gesundheit kann Mitarbeitenden helfen, Interesse zu entwickeln und sich aktiv mit ihrem Wohlbefinden auseinanderzusetzen. Viele Unternehmen bieten derzeit solche Programme an, auch ich biete in Zusammenarbeit mit meinem digitalen Partner eine tolle initiative für Unternehmen an. Insbesondere zum Mental Health Day oder in der herbstlichen Jahresendphase ist dies eine hervorragende Möglichkeit, die Mitarbeitergesundheit aktiv zu fördern.
Wie siehst du die zukünftige Entwicklung im Bereich der Mitarbeitergesundheit? Wird das Thema in den nächsten Jahren weiter an Bedeutung gewinnen?
Ich bin überzeugt, dass die Mitarbeitergesundheit in den kommenden Jahren eine noch zentralere Rolle spielen wird. Die letzten Jahre haben uns eindrücklich vor Augen geführt, wie wichtig es ist, das Wohlbefinden der Mitarbeitenden in den Fokus zu rücken. Der Anstieg von Stress, Burnout und psychischen Erkrankungen hat viele Unternehmen dazu gebracht, Gesundheit und mentale Stärke als integrale Bestandteile ihrer Unternehmenskultur zu betrachten.
Eine aktuelle Studie, das Randstad Arbeitsbarometer 2024 zeigt, dass es für 85% der deutschen Arbeitnehmer ein wichtiges Jobkriterium ist, Unterstützung für ihre psychische Gesundheit zu erhalten. Besonders stark ist der Wunsch nach Unterstützung bei den 18- bis 26-Jährigen, von denen 75% Hilfe einfordern. Dies verdeutlicht, dass jüngere Generationen zunehmend Wert auf Angebote zur mentalen Gesundheit legen. Quelle
Zudem wird der Wettbewerb um talentierte Mitarbeitende zunehmen, und Unternehmen, die in das Wohl ihrer Mitarbeiter investieren, werden sich einen klaren Vorteil verschaffen. Programme zur Gesundheitsförderung, flexible Arbeitsmodelle und eine offene Kommunikation über mentale Gesundheit werden nicht nur erwartet, sondern auch gefordert.
Ein wichtiger Aspekt, den ich sehe, ist die Verbindung zwischen Mitarbeitergesundheit und Nachhaltigkeit. Unternehmen, die eine ganzheitliche Perspektive einnehmen und nachhaltige Gesundheitsstrategien entwickeln, stärken nicht nur das individuelle Wohlbefinden, sondern tragen auch zur langfristigen Stabilität und Zufriedenheit im Unternehmen bei. Dadurch bleiben sie wettbewerbsfähig und steigern ihr Wachstum sowie ihre Gewinne.
Coaching-Programme können eine wertvolle Unterstützung bieten, indem sie Mitarbeitenden helfen, Verhaltensweisen zu verändern und ihre persönliche und berufliche Entwicklung zu fördern. Diese Programme bringen nicht nur individuelle Vorteile für die Mitarbeitenden, sondern tragen auch zur Schaffung einer gesunden und produktiven Unternehmenskultur bei. Durch die Förderung von Selbstbewusstsein, Verhaltensänderungen und beruflichen Fähigkeiten wird ein positives Arbeitsumfeld geschaffen, das sowohl das individuelle Wohlbefinden als auch die langfristige Stabilität und Zufriedenheit im Unternehmen stärkt. In anderen Ländern, wie den USA, gehören Coaches bereits zum festen Bestandteil der Unternehmenskultur und werden aktiv in die Mitarbeiterentwicklung integriert.
Fazit: Gesundheit als Schlüssel für den langfristigen Erfolg eines Unternehmens
Das Thema „Mitarbeitergesundheit“ geht weit über ergonomische Arbeitsplätze und Fitnessangebote hinaus. Wie Daniela Ullmann betont, müssen Unternehmen ein ganzheitliches Konzept verfolgen, das sowohl physische als auch psychische Aspekte berücksichtigt. Nur so kann langfristig ein gesundes Arbeitsumfeld geschaffen werden, in dem Burnout und andere stressbedingte Erkrankungen vermieden werden.
Die Investition in die Gesundheit der Mitarbeitenden ist nicht nur ein Zeichen sozialer Verantwortung, sondern auch ein wirtschaftlicher Vorteil. Mentale Gesundheit steigert nicht nur die Leistungsfähigkeit und Motivation der Mitarbeitenden, sondern reduziert auch Ausfallzeiten und Krankheitskosten erheblich. Dadurch wird nicht nur das Wohlbefinden der Belegschaft gefördert, sondern langfristig auch die Effizienz und der Erfolg des Unternehmens maßgeblich gesteigert.
Über Daniela Ullmann:
Daniela Ullmann ist Expertin und Keynote Speakerin für Digitalen Stress, Mindset, Ganzheitliche Gesundheit & Mental Health. Sie blickt auf eine erfolgreiche, internationale 22-jährige Karriere in Fortune 50-Companies, wie Siemens, Tesla und Telefónica, zurück. Seit 2019 unterstützt sie Unternehmen dabei, Fehlzeiten zu reduzieren, Mitarbeiterzufriedenheit zu steigern und sich als führenden Arbeitgeber zu etablieren. Vorträge und Workshops von Daniela Ullmann können über ihr 1ST ROW Expertinnenprofil angefragt werden.
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